Die Wiedervereinigung von Mann und Frau
André Höfer im Interview mit Oliver Bartsch.
Diplom-Psychologe André Höfer beschäftigt sich mit dem wahrhaftigen, kraftvollen und harmonischen Zusammenleben von Mann und Frau. Es geht ihm um die Überwindung des alten Geschlechterkampfes, die Heilung der Vergangenheit und die Übernahme von hundertprozentiger Selbstverantwortung für das eigene Denken, Sprechen und Handeln. Im Interview spricht er über Wahrheit, Mitgefühl und Hingabe und der Erkenntnis, dass wir nur im Einklang mit dem eigenen Wesen eine wahrhaft authentische Wiedervereinigung von Mann und Frau erreichen können.
Mann und Frau, Beziehungen, Partnerschaft, das Zusammenleben der Geschlechter: Trotz sexueller Revolution, Emanzipation und Feminismus ist das Verhältnis von Mann und Frau genau so schwierig wie in der Vergangenheit. Oder täuscht der Eindruck?
Wir leben heute in Zeiten, wo Mann und Frau sich endlich wieder auf Augenhöhe begegnen können, wenn sie es denn wollen. Emanzipation und Feminismus waren notwendige Bewegungen, und sie sind es noch so lange bis echte Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern in allen gesellschaftlichen Bereichen erreicht ist. Entscheidend ist, wofür wir uns Raum und Zeit nehmen. Freundschaften und Beziehungen wollen gepflegt werden. Viele Männer und Frauen haben heute die Freiheit, zu wählen, ob sie die alten Spiele von Macht und Ohnmacht, Täter und Opfer, Verletzungen, Schuldzuweisungen, Vorwürfen etc. fortsetzen wollen und dadurch immer neue Trennungen erzeugen oder ob sie sich für die Liebe entscheiden, die Herzöffnung, aufmerksame Kommunikation und echte Begegnungen vor allem mit Blickkontakt, so dass sich zwei Menschen wirklich erkennen können, denn wie heißt es so schön: Die Augen sind die Fenster zur Seele.
Sie selbst führen seit dem Jahr 2000 eine glückliche Beziehung. Wie sind Ihre eigenen Erfahrungen in Beziehung und Partnerschaft?
Der Anfang war wie im Märchen. Wir begegneten uns in der Bretagne auf einem Releasing-Workshop. Es ist schwer in Worte zu fassen, aber als unsere Blicke sich trafen, fand ein gegenseitiges Erkennen statt, die Zeit blieb stehen. Dann folgte der Tanz zwischen dem Weiblichen und dem Männlichen, und der Mann fühlte, die oder keine…
Ich erlebe unsere Beziehung als ein Geschenk. Wir sind (auch astrologisch) wie Feuer und Wasser, und gleichzeitig sind wir friedliebende Menschen, das meine ich übrigens wörtlich: Frieden liebende Menschen. Natürlich war und ist nicht immer nur Sonnenschein, aber eine Beziehung ist viel mehr als nur eine romantische Lebensphase, es ist eine Entscheidung, sich frei und verbindlich auf einen Menschen einzulassen, tiefer und tiefer. Das gefällt dem Ego oft gar nicht. Wir sind uns beide auch der Kostbarkeit und Endlichkeit des Lebens bewusst und haben deswegen gar keine Interesse, uns das Leben gegenseitig schwer zu machen. Ich freue mich darauf, so Gott will, mit der »Königin meines Herzens« gemeinsam alt zu werden.
Sie fangen in Ihrem Buch »Himmel und Erde 1 jetzt« tatsächlich bei Adam und Eva an, um das Verhältnis der Geschlechter zueinander zu erklären. Ist so viel Geschichte wirklich nötig für die aktuelle Situation?
Jede Kultur und Gesellschaft basiert auf alten Mythen. Die Geschichte von Adam und Eva hat in meiner Wahrnehmung das Selbstverständnis der Geschlechter bewusst und unbewusst sehr geprägt. Die wunderschöne göttliche weibliche Verführungskraft wurde als böse dargestellt. Gefühle wie Scham und Schuld wurden vor allem in die weibliche Psyche gebrannt. Es war nicht erwünscht, dass Frau und Mann sich nackt begegneten. Gottes Wille war angeblich, dass Frauen bluten und unter Schmerzen gebären sollten, und Männer sollten auf den Acker und wie blöd arbeiten, um es in der heutigen Sprache zu formulieren. Durch kirchliche Einflüsse kam es später auch dazu, dass Männer in Frauen entweder eine Heilige oder eine Hure sahen. So konnte keine wirkliche Begegnung von Mann und Frau mehr stattfinden.
Warum ist die hundertprozentige Selbstverantwortung für das eigene Denken, Sprechen und Handeln so wichtig, um erfüllte Partnerschaften zu führen?
Weil wir sonst nur »Schwarzer Peter« spielen und jemand anderen für unser Unglück verantwortlich machen. Was viele vielleicht nicht gerne hören: Nichts im Außen kann uns glücklich machen: kein Mann mit Waschbrettbauch und ein paar Millionen auf dem Konto, keine ewig jung bleibende Frau mit Traummaßen, die immer da ist, wenn Mann sie braucht, kein Papa und keine Mama. Eine oft gehörte Frage ist heute: was bringt mir das? Die Aufmerksamkeit liegt auf dem Bekommen und dem Vermehren. Eine alte Weisheit sagt dagegen: Geben ist seliger denn nehmen. Also: Was geben wir in eine Beziehung hinein? Denken, sprechen und handeln wir liebevoll oder zumindest achtsam? Oder vergiften wir die Atmosphäre mit unserer Negativität, sind unzufrieden und gieren ständig nach mehr oder jemand Neuem, der mir endlich das gibt, was ich von meinem jetzigen Partner nicht bekomme?
Eine wahrhaft authentische Wiedervereinigung von Mann und Frau können wir nur erreichen im Einklang mit dem eigenen Wesen, ist eine ihrer Kernaussagen. Was meinen Sie damit?
Wenn Menschen sich heute begegnen, fragen sie, vereinfacht gesagt, meist: Was machst Du? oder: Was kannst Du? Oder: Was hast Du (für Pläne und Ziele)? Und wenn dann das Äußere auch noch einigermaßen passt, ist das vielleicht kompatibel mit dem eigenen Lebensweg. Viel spannender finde ich die Frage: Wer bist Du? Wir Menschen sind Seelen- und Geistwesen, jede Frau und jeder Mann ist ein einzigartiges Selbst. Wir pressen heute schon Kinder teilweise während der Schwangerschaft in ein Korsett der Karriereplanung, ohne uns auch nur einen Hauch damit zu beschäftigen, was die neue Erdenbürgerin für Gaben mitbringt, wo ihre größte Liebe und Freude liegt. Mädchen und Jungen werden vollgestopft mit Informationen, aber es gibt kein Schulfach, wo das eigene Spüren oder Fühlen gefragt ist, wo Raum und Zeit ist, sich über die Träume der Nacht auszutauschen oder über Ängste, wo über Seele und Geist gesprochen wird und was es bedeutet, be-seelt oder be-geist-ert zu sein. Sind das nicht wunderschöne Worte? Und wenn sich dann 20, 30 oder 40 Jahre später eine Frau und ein Mann begegnen, wer begegnet sich da eigentlich? Was können sie sich versprechen? Und worauf können sie vertrauen? In der Liebe, die unendlich viel Raum und Zeit lässt, können wir uns selbst und einander endlich wirklich kennenlernen.
Welche Wege zu einer erfüllten Partnerschaft raten Sie Menschen, die sie als Therapeut aufsuchen?
Habe keine Angst, Dein Herz zu öffnen und die Liebe zu wagen. Vor allen Dingen: Habe keine Angst, Dein Herz zu öffnen und die Liebe zu wagen. Ja, es wird vielleicht Ablehnung, Schmerz oder Verletzung geben, aber das wird Dich nicht umbringen. Du hast nichts zu verlieren. In dem Zusammenhang benutze ich gerne manchmal eins meiner Lieblingszitate von Erich Kästner: „Leben ist immer lebensgefährlich!“ Wenn da wirklich Liebe zwischen zwei Menschen ist, gibt es immer einen Weg. Nehmt Euch Zeit füreinander, sprecht Eure Wahrheit aus, hört einander zu, seht Euch in die Augen. Habe keine Angst vor der Tiefe deines eigenen Wesens und vor der Tiefe des Wesens Deiner Partnerin. Gebietet den inneren Schattenkräften Einhalt, die immer wieder neue Dramen, Tragödien und Trennungen heraufbeschwören wollen und denen Kontrolle wichtiger als Hingabe ist. Wenn ihr euch einmal alleine nicht gelingt, wieder zueinander zu finden, holt Euch Hilfe, privat oder professionell, egal, ihr müsst es nicht alleine zu zweit schaffen.
Ich habe den Eindruck, dass sich Männer momentan schwerer tun, eine zufrieden stellende Partnerschaft zu leben. Frauen tun sich von Natur aus leichter mit den Softskills oder den sozialen Kompetenzen, der Mann ist eher noch den traditionelleren Rollenbildern verhaftet. Muss der Mann aufholen, was die Frau in den vergangenen 50 Jahren an Emanzipations-Entwicklung geleistet hat?
Ich würde sagen: nicht »aufholen«, in dem Wort liegt schon wieder ein anstrengen, eher: entscheiden! Es muss nicht erst zum Burnout, zum Herzinfarkt oder zur Depression kommen. Es geht um die Entscheidung, nicht so weiter zu machen wie bisher, die Entscheidung sich Zeit zu nehmen für sich selbst und runter zu kommen! Dabei ist z.B. der Atem ein wunder-volles Instrument: Einfach mal bewusst tief durchatmen, den Brust- und Bauchraum spüren … Es ist nicht wirklich schwer, höchstens ungewohnt. Und Unsicherheit ist menschlich und sexy. Und was die Crux an der Liebe ist: Sie lässt sich nicht kontrollieren. Ich glaube, auch aus eigener Erfahrung, die Urangst des Männlichen ist, sich im Weiblichen aufzulösen oder zu verlieren, so wie ein Fluss, der sich ins Meer ergießt, an dieser Stelle aufhört, zu existieren. Aber genau darin liegt, wenn ich mich nicht täusche, für uns alle früher oder später unsere Bestimmung und Erfüllung.
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