Loslassen – Zulassen

von | 19. August 2019

Meine Verlegerin bittet mich, etwas über Loslassen-Zulassen zu schreiben, möglichst schlau wie in meinem Buch über Gelassenheit.
Dazu habe ich nur gerade gar keine Zeit.
Gelassen, das war gestern. Jetzt habe ich so viel zu erledigen und zwar schnell. So hetze ich kurze Zeit später durch die Straßen von Dortmund, um Dinge zu erledigen. Eigentlich will ich die Bahn zum Hauptbahnhof nehmen, aber irgendwas hindert mich daran, einzusteigen.
Loslassen-Zulassen.
Also lasse ich mich treiben. Ich entdecke an einer Haltestelle einen Bücherschrank, aus dem jeder kostenlos bis zu drei Bücher herausnehmen kann, wenn er im Gegenzug drei andere Bücher hineinstellt. Spannend! Im gleichen Augenblick plagt mich das schlechte Gewissen. Ich hätte die Bahn nehmen sollen, doch auch dieses Mal steige ich nicht ein.
Kurz davor, mir Sorgen zu machen über meine zunehmende Disziplinlosigkeit, streift mein Blick einen Buchladen. Ich weiß nicht, wie alt ich war, als ich das erste Mal einen Buchladen betreten habe, aber es muss ein bleibendes, alles veränderndes Erlebnis gewesen sein, denn auch noch mit 43 Jahren zieht mich dieser magisch an. Ich kann nicht anders und werde auch, wenn Gott es mir gönnt, so lange hier zu bleiben, die nächsten 43 Jahre dieser Magie Folge leisten. In dem Buchladen atme ich Glück ein, das zwischen den Buchseiten zu thronen scheint. Der Mann hinter der Theke dürfte nun auch verschwinden, denn mit Büchern bin ich lieber allein. Ich entdecke vor einem Buchstapel zu meinen Füßen ein nostalgisches Werbeplakat mit einer Frau auf einer Bank, die verträumt über ihr Kleid streicht. Daneben, wie kann es anders sein, ein Spruch, der passt:
„Gelassenheit ist eine anmutige Form des Selbstbewusstseins.“
Die gute alte Marie von Ebner-Eschenbach trifft es mal wieder auf den Punkt.
Loslassen-Zulassen. Wer es auch mal zulässt, wichtigste Termine und Pläne loszulassen und sich von dem undisziplinierten Teil in sich führen lässt, trifft auf das, was einen wirklich finden soll. Ganz anmutig selbstbewusst streife ich eine Metzgerei für ein schnelles, aber doch leckeres Abendessen. Und die Bahn kann mich mal.

Beatrix Schulte

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